Brauchen wir Amazon? Helmut Pöll

Kaufen Sie Ihre Bücher bei Amazon?


Die meisten meiner Bücher kaufe ich in der Buchhandlung zwei Straßen weiter. Ich bestelle über deren Webseite und hole sie dann ab. Als Kindle-Benutzer kaufe ich aber alle E-Books bei Amazon.

Finden Sie es richtig, Bücher bei Amazon zu kaufen oder die eigenen dort verkaufen zu lassen?

Verlage und Autoren wollen Bücher verkaufen und Leser finden. Und Amazon ist der größte Bücherverkäufer der Welt. Es wäre natürlich schön, wenn es hauptsächlich kleine Buchhandlungen gäbe mit enthusiastischen Buchverkäufern. Aber das ist nicht die Realität. In der Realität kommt man aktuell kaum an Amazon vorbei.
 
Würden Sie als Autor Ihre Bücher gern nicht mehr über Amazon vertreiben (lassen)?

Ich finde die Frage seltsam. Es geht doch darum, wo Leser ihre Bücher kaufen wollen. Und das ist einfach in vielen Fällen Amazon. Die Gründe dafür sind naheliegend. Der Webshop funktioniert perfekt, ist rund um die Uhr verfügbar, Kundenservice und Kulanz sind sehr gut. Die andere Frage ist: was wäre die Alternative? Die sehe ich nicht.
 
Was halten Sie von der Nachricht, dass Amazon die Bücher mancher Verlage nur verzögert liefert, wenn diese Verlage sich den Rabattforderungen von Amazon widersetzen?

Vorweg: ich hoffe, dass sie sich einigen. Die freie Marktwirtschaft hat die manchmal unschöne Eigenschaft, dass dominierende Anbieter die Preise für Dienstleistungen und Waren frei festlegen können.
Im Geschäftsleben gibt es Vertragsfreiheit. Verträge, die einem nicht gefallen, muss man nicht unterzeichnen. Auf der anderen Seite kann man auch kein Unternehmen zwingen eine Dienstleistung zu Konditionen anzubieten, die einem genehm sind. In jedem Fall rächt sich jetzt, dass die Buchbranche zu lange gewartet hat selber eine Alternative aufzubauen. Vielleicht ist auch deshalb die Wut auf Amazon so groß.
 
Was halten Sie von den Nachrichten über die Arbeitsbedingungen bei Amazon?

Unwürdige und gesetzwidrige Arbeitsbedingungen gehören natürlich benannt und geändert. Und zwar überall. Die Doku der ARD, mit der die Vorwürfe meistens begründet werden, geriet später selbst in die Kritik. Vorwürfe von Manipulation wurden laut. Was ist also davon zu glauben und was nicht? Dass die Arbeitsbedingungen bei Amazon grundsätzlich und überall schlechter sein sollen als anderswo, das hat in meinen Augen noch niemand überzeugend belegen können.

Diese beinahe schon religiöse Verteufelung von Amazon hat in meinen Augen auch etwas Unredliches. Denn sie lenkt ab und blendet andere Missstände aus.

Vielleicht ist die unschöne Wahrheit die, dass manche Arbeitsbedingungen der Preis für eine weit verbreitete Geiz-ist-geil-Mentalität sind. Wir wollen T-Shirts für 10 Euro, unser Paket morgen. Nicht übermorgen. 7 Euro Lieferkosten? Niemals. Maximal drei. Und wenn uns die Sockenfarbe nicht gefällt? Bitte kostenlos retour. Und morgen die richtigen geliefert. So oft bis es passt. Irgendwo kommt dieser Kostendruck an. Und zwar bei denen, die ihn nicht nach unten weiterreichen können: bei den Subunternehmern und all denen, die keinen Betriebsrat und keine Lobby haben.

Die Zeitungszusteller zum Beispiel. Die 160000, die bei jedem Wetter im Morgengrauen FAZ, SZ und ZEIT an die Haustüren schleppen, arbeiten für einen Hungerlohn. Seit Jahrzehnten. Sie werden auch in Zukunft keinen Mindestlohn bekommen. Die mächtige Lobby der Zeitungsverleger hat gerade erfolgreich dagegen intrigiert. Wir erinnern uns: es sind dieselben Verleger, deren Blätter sich regelmäßig über den Raubtier-Kapitalismus a la Amazon empören.

Alles zusammen genommen, mit wie vielen Sternen (von fünf möglichen) würden Sie Amazon bewerten?



Vier. Für einen perfekten Webshop und sehr guten Service. Für einen ausgewogenen Markt wären aber sicher ein paar ähnlich gewichtige Spieler gut.

Hemut Pöll ist Autor (“Die Elefanten meines Bruders”) und betreibt die Social-Reading-Community Whatchareadin.de

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